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Thema Entführungen / Geiselopfer
Oberhessische Presse, 06.05.2000

Auf Philippinen verschleppte 21 Geiseln offenbar am Leben

Deutsche Renate Wallert erkrankt - Experte sieht schwere psychische Belastung


Jolo. Nach Angaben der Bundesregierung ist die auf die Philippinen verschleppte 
Deutsche Renate Wallert erkrankt.

von Stephan Klein und unserer Agentur

Die von moslemischen Rebellen entführten 21 Geiseln sind offenbar am Leben. Aus 
Verhandlungskreisen auf den Philippinen verlautete am Freitag, alle würden 
gemeinsam in einem Lager der Rebellen festgehalten.

Philippinische Unterhändler berichteten, sie hätten die Rebellen in ihrem 
Versteck aufgesucht. Die  neuen Kontakte brachten aber offenbar keine 
Fortschritte. Die Entführer hätten keine Botschaft oder Forderungen übermittelt.

Unklar war, ob die Gruppe auf der philippinischen Insel Jolo aufgeteilt worden 
ist. Die Regierung in Manila unterbindet nach Ansicht der Bundesregierung 
Kontakte zu den Geiselnehmern und will auf diese Weise vermutlich Gerüchten 
entgegenwirken.

"Wir haben den Eindruck, dass die philippinische Regierung eine andere 
Informationspolitik betreibt in den letzten Tagen, indem sie ganz bewusst 
Kontakte abschneidet", erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger 
Volmer, am Freitag dem Radiosender NDR4-Info. Die Regierung habe es erst einmal 
geschafft, Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser zu den Geiseln zu bringen.

Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sabine Sparwasser, bestätigte indirekt den 
schlechten Gesundheitszustand von Frau Wallert, die mit ihrem Mann und ihrem 
Sohn entführt wurde. Es sei "sicher richtig, dass es den weiblichen deutschen 
Geisel nicht gut geht". Details könne sie nicht nennen. Sparwasser berichtete, 
die Bundesregierung habe Kontakt zu einer Ärztin, die die Geiseln besucht habe. 
Ein weiterer Arztbesuch sei geplant. Die Versorgung mit Lebensmitteln und 
Medikamenten solle verstärkt werden.

Doch nicht nur körperlich, auch psychisch sind die Verschleppten gefährdet. 
"Menschen machen sich Pläne im Kopf, und bei den Geiseln auf den Philippinen 
lautete dieser Plan zunächst Urlaub", erklärt der Psychotherapeut Georg Pieper, 
der in seiner Praxis in Friebertshausen drei Jahre lang die Libanon-Geisel 
Heinrich Strübig behandelt hat. "Der vollendete Urlaub ist dann eine 
geschlossene Gestalt", sagt der Psychologe.

Mit der Geiselnahme wurde diese Gestalt unterbrochen, was Menschen immer stark 
beschäftige und zu psychischer Verwirrung führe, so Pieper.

Dazu seien traumatisierende Faktoren gekommen, wie der Therapeut betont. 
Ein starkes Bedrohungsgefühl, die Konfrontation mit Waffen und das Erleben von 
Todesangst gehöre sicher dazu. 
"Diese traumatischen Erlebnisse bewirken nun einen schweren Schock und 
einen inneren Ausnahmezustand, der dazu führt, dass die Person völlig 
unerwartet reagiert. 
Weder sie selbst noch Menschen, die sie gut kennen, 
können ihr Verhalten in einer solchen Extremsituation abschätzen", 
erläutert der Psychologe. (AP)

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