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Zum Thema Grubenunglück Borken 1988:
Der Psychologe praktiziert in Friebertshausen

Georg Pieper betreut die Ex-Geisel Heinrich Strübig und Bergleute aus Borken

Von unserem Mitarbeiter Thomas Kleinoeder

Gladenbach-Friebertshausen. Am 17. Juni 1992, heute vor einem Jahr: großer 
Bahnhof am Köln-Bonner Flughafen. Nach 1128 Tagen Geiselhaft von Heinrich 
Strübig und Thomas Kemptner ist die Entführung im Zusammenhang mit dem Fall 
Hamadi im Libanon beendet. Für die Geiseln ist das Erlebnis auch heute, ein Jahr 
später, noch lange nicht vorbei. So schilderte es der in Friebertshausen 
praktizierende Psychologe und Psychotherapeut Georg Pieper in einem Beitrag für 
die RTL-Sendung SK 15 am 8. Juni. In einer der nächsten Sendungen wirkt der 
Psychologe an einem Beitrag über die Opfer des Grubenunglücks in Borken am 1. 
Juni 1988 mit.

"Alles wurde grau, die Vorstellungskraft und Erinnerung an Leute und Natur 
lassen mit der Zeit nach", erinnert sich die Ex-Geisel Heinrich Strübig, die bei 
Georg Pieper in Behandlung ist und ihn für die Dreharbeiten von seiner 
Schweigepflicht entbunden hat. Noch lange wird die Erinnerung an die lange 
Dunkelheit und das Eingesperrtsein bleiben. "Das Erlebte muß systematisch 
aufgearbeitet und bewältigt werden, Scheinlösungen und sozialer Rückzug sind das 
größte Problem", so der Psychologe Pieper. "Die Bewältigung des Erlebten hat 
viel mit der allgemeinen Stressbewältigung gemeinsam."

Doch natürlich nicht nur nach Geiselhaft treten psychische Probleme auf. Die 
meisten Menschen haben nach extremen psychischen und körperlichen Belastungen 
wie Unfällen, Unglücken, Entführungen, Vergewaltigungen und anderen 
traumatischen Erlebnissen Hilfe nötig. Das gilt nicht nur für selbst Betroffene, 
sondern auch für Angehörige und Rettungspersonal.

Die sehr starke innere Verletztheit nach einem Trauma kann sich nach dem ersten 
Schock zum Beispiel in Form von Angst, Aggression, Schreckhaftigkeit, schlechtem 
Schlaf und als sozialer Rückzug äußern. Oft kommt es auch vor, daß sich das 
Ereignis im Geiste ständig wiederholt. "Nach solchen Erlebnissen sollte man sich 
nicht überschätzen und frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen, denn die Therapie 
hat gute Erfolgsaussichten", erklärt Georg Pieper.

Wie ein entstehendes Vermeidungsverhalten abtrainiert werden kann, schildert der 
Psychologe demnächst in SK 15 am Beispiel der sechs Überlebenden, die 65 Stunden 
in Todesangst auf ihre Rettung warteten, und der Angehörigen der 51 getöteten 
Bergleute des Grubenunglücks in Borken.

Neben ausführlichen Gesprächen in Gruppen war es auch nötig, daß die Angst vor 
dem Bergwerk Stück für Stück abtrainiert wird. Einige wollten nie wieder unter 
Tage, auf Rat des Psychologen fuhren sie jedoch gemeinsam ein, um die Angst, die 
sich später auch auf andere Situationen übertragen kann, abzubauen.

Die Symptome von Belastungsstörungen nach traumatischen Erlebnissen können sehr 
vielfältig sein und sich auch in vermeintlich körperlichen Erscheinungen äußern. 
Oft wird das von den Betroffenen nicht selbst erkannt.

Pieper arbeitete nach seinem Psychologiestudium in der Drogentherapie in Köln, 
dann fünf Jahre in der Marburger Kinder- und Jugendpsychiatrie, bevor er 1988 
eine Stelle in Borken annahm. Seit 1992 arbeitet er als selbständiger 
Psychologe. 

Pieper war mehrmals in ARD, ZDF und RTL zu Gast, um über Stressbewältigung 
zu berichten, und hat ab dem Herbst einen Lehrauftrag an der Universität Dresden.
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